In Sachen Liebeskummer
Essen, den 15.10.1913
Meine sehr liebe Frau Groth,
Ihren lieben Brief habe ich erhalten und wollte sofort antworten, um Ihnen der sich grämenden Mutter, die Sorge um Hedwig abzunehmen. Leider häuft es sich bei mir die Arbeit im Haushalt so sehr – Wäsche und Renovierung der Wohnung – dazu eine nur geringe Hilfe nachmittags, dass ich erst heute dazu komme.
Hedwig hat mich schon mehrere Male besucht, auch ich war eines Abends bei ihr. Sie hat mir ihr Leid getreulich erzählt, und wir beide haben ganz offen und ehrlich darüber gesprochen. Hedwig sagte mir ganz von selbst, dass sie so allmählich diese Trennung von Herrn L. [oder B. oder S?] vorausgesehen habe, und dass sie ihr nicht ganz unerwartet gekommen sei. Ich habe ihr auch dann in den grellsten Farben die Zukunft ausgemalt, der sie an der Seite dieses Herrn entgegenginge. – Hedwig sah es, Gottlob, ein und mich erfreut ihr Vorsatz, sich wieder wie früher zu betätigen im Verein u. s. w. Sie hat sich noch einmal an Herrn L. gewandt betreffs der Stühle. Sie hat sich ziemlich sachlich gehalten, ich bin nun gespannt, was er da tun wird. Hedwig ist doch ein zu fein gebildetes Mädchen und muss doch auch zu stolz sein, um diesem Herrn nachzugehen. – Soweit mir Hedwig sagte, hat sie auch die feste Absicht, nicht mehr an Herrn L zu schreiben. Ich glaube wirklich er ist ihr nun verleidet. – Natürlich ist es jetzt eine schwere Zeit für Hedwig und soweit es in meiner Macht liegt, will ich Hedchen abzulenken suchen. Ich habe ihr zugeredet, den Umgang mit ihren Colleginnen wieder mehr zu pflegen. – Liebe Frau Groth, ich glaube ganz sicher, daß Hedwig stark ist und wird allmählich glücklich über diese Angelegenheit hinwegkommen wird. Machen Sie sich nun nicht zu große Sorgen. Wenn es irgend angeht, will ich morgen nach dem Abendbrot zu Hedwig gehen. – Seien Sie versichert, dass ich Hedchen treu zur Seite stehen werde. – Martas Karte habe ich erhalten. Fräulein Lehmkuhl [?] soll den Lehm, wie in man ihn findet mit dem Abguss von Zinnkräutern und Eichenrinde aufweichen und den dicken Brei auf die Halsdrüse legen, darüber ein feuchtes Tuch und dann Wolle. Wenn das Kalte nicht angenehm, dann warm auflegen. Meine Schwester Martha hat auch damit zu tun, der Lehm kann auch zwischen leichte dünne Gaze gelegt werden dann auf die Drüse und Wolle darüber. [...] Seien Sie versichert, daß Hedwig tapfer dieser Angelegenheit gegenübersteht!! Es ist schon spät, verzeihen Sie deshalb, wenn es wie Kraut und Rüben durcheinander geht. Vielleicht wird sich Fräulein L. sie wendet sich Fräulein L. an Sie. Gern würde sie es ihr zeigen. Martha wohn(t) jetzt Wallplatz 3. Freundliche Grüße von Haus zu Haus. Immer Ihre Liesbeth Köhler
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