Aus Briefen von Hedwig Groth

 Hedwig Groth an Hugo

Antwerpen, den 6.4.1899

Cher frère!

Pouquois n'avez vous pas écrit à moi! [...]
Ich habe euch zwar versprochen, Postkarten zu schicken, aber nur unter der Bedingung, dass ich einen schriftlichen Dank jedes Mal bekomme, ich habe aber noch nichts bekommen.Am Sonnabend fahre ich nach Essen zurück.

Dann bist du auch wohl so gut und schickst mir meine fotografieren. In Brüssel hatten wir eine sehr gute Pension, dafür in Antwerpen eine sehr sehr schlechte, so dass wir froh sind, hier heraus zu kommen. Unleserlich mit
Mit herzlichem Gruß Hedwig

Briefregesten zu Hedwig Groth

Briefregesten von 1913 bis 1922

Liesbeth Köhler aus Essen an Johanna Groth 13.4.1913

Hedwig hat Rheuma und ist auf Anraten aller ihrer Bekannten in eine Klinik gegangen, damit sie sich schonen kann. Frau Köhler hat gehört, dass Luise Groth, die Mutter von Hedwig, daran denkt, Hedwig in Essen zu besuchen.Jetzt bittet sie Johanna sie möge Mutter Luise beruhigen, die Krankheit sei nicht schlimme und schon bald werde sie Hedwig in deren neuer Wohnung in der Dreilindenstraße besuchen können.


Essen 21.3.22

"Ihr Lieben!

Nachem ich endlich einen neuen Mantel habe, kann ich euch das angekündigte Paket senden."

Der Mantel ist nur 3 Monate getragen, steht ihr aber nicht mehr, wegen ihrer neuen Haarfarbe [offenbar: weiß] kann sie nur noch dunkle Mäntel tragen. Bekommen soll ihn die, die ihn am dringlichsten braucht.

Hedwig an Hugo Essen, 18.6.1922

Beste Geburtstagswünsche an Hugo. Seine Schwestern wollen ihm ein blaues Sofa schenken, wie es sich auch Hanna wünscht.

Hedwig an Hanna

Essen den 21.11.1926


Liebes Hannchen!
Vor einer Woche war ich aus der liturgischen Totenfestandacht gekommen, bei der eine Sängerin aus Dortmund und einen Frauenchor zur Feier beitrugen. Jetzt sitze ich wieder vor meinem runden Tisch und lasse meine Gedanken zu dir wandern [Geburtstagswünsche ...]

Und wie es scheint wird die nächste Zeit dir wohl auch viele Veränderungen bringen. Von Herzen wünsche ich, dass alles, was dir das Schicksal bringen wird, zum Segen für dich und die Deinen werden möge. Das soll zunächst mein Hauptwunsch zu deiner Geburtstagsfeier sein, den ich noch hinzufüge, dass du bei guter, fester Gesundheit bleiben möchtest. Mit den mitgeschickten Gaben möchte ich dir eine kleine Freude machen, ich hoffe du kannst alles gebrauchen und hast auch wirklich Spaß daran.

Weißt du, das Schreiben passt mir heute eigentlich recht wenig, denn ich hätte dir viel zu erzählen und mündlich ging es viel besser und ausgiebiger als beim Buchstabenmalen. Wir haben in der letzten Woche unheimlich viel gearbeitet für unser Jubiläum und vorher für die Diensteinführung, dann für die Zensuren und die Revision der Schule, dass wir mehr In der Schule als zu Hause waren. Ich hätte gerne gesehen, wenn Luise unser großartiges Fest mit gemacht hätte, es war ganz wunderschön von A bis Z, kein Missklang keine Störung, also ein selten harmonisches, schönes Fest mit viel moralischen und ethischen Erfolgen [...]

Hedwig Groth Essen, den 11.1.1927

Ihr Lieben in Mühlhausen!
Heute hatte ich mir fest vorgenommen, an euch zu schreiben, da ich am Nachmittag nichts Besonderes vorhabe und erst am Abend ins Kunstmuseum zu einem Vortrag gehe. Als ich und nun nach Hause kam, fand ich euren Brief vor, umso mehr freue ich mich, gleich darauf eingehen zu können. Im Briefkasten lag noch eine Trauerbotschaft, die mich recht bewegt hat. Benno von Derfelden ist am 1. Januar nach längerem Krankenlager entschlafen. Wie schwer magder arme Mann noch zu leiden gehabt haben, körperlich und seelisch. Und wie mögen sich dort die Verhältnisse gestaltet haben, denn der Zusammenbruch war ja unabwendbar. Ich habe an Frau von D. soeben einen längeren Brief geschrieben und sie auch gebeten, es nicht als Teilnahmslosigkeit anzusehen, wenn ich nicht zwischendurch geschrieben habe, es hätte mich die Scheu abgehalten, Nachricht von Ihnen zu erbitten, wo ich doch Ihnen in ihrem Kampfe um die [unleserlich] keine Hilfe sein konnte. Willst du, lieber Hugo, Frau von D. nicht auch einen kurzen Beileidsbrief oder auch nur ein paar Worte senden? Ich glaube, die arme Frau wird es freuen, auch von ihren ehemaligen Gästen eine Teilnahme zu erfahren, sie ist ja so zu bewundern in ihrer Haltung. Du hast die Gabe, schöne Worte aus tiefem Empfinden heraus manchmal zu sagen und hier wäre so etwas angebracht. Aber ich will dich nicht veranlassen zu etwas, was du vielleicht nicht gerne tun möchtest.
Für eure Bilder, viel herzlichen Dank, ich meine, ihr seid alle ganz gut getroffen, nur sitzt ihr alle so fürchterlich ernst da, als ob ihr gerade eine Strafpredigt erhalten hättet, deren Wirkung noch auf dem Höhepunkt ist. Der Schokoladenigel und das Pfefferkuchenherz sind aber hervorragend gut getroffen und versprechen frohe Stimmung der nächsten halben Stunde. Aber schön ist es doch, dass ihr alle wieder beisammen gewesen seid und diese innerliche Freude sieht man dem Vater- und Mutterherzen auch an und das macht mir auch die Bildchen sehr sehr lieb und wert. Heinrich wird nun auch den Weg, der ihn ins Vaterhaus zurück brachte, nicht wieder leichtsinnig verlassen und wenn er auch noch oft recht abwegige Gedanken und Vorsätze hat, so wird der Ernst der Wirklichkeit ihn schon von selbst manche Schranken ziehen vor unbedachtsamen Wegen.
Nun lasst mich aber erst euch allen meinen herzlichen Dank sagen für die hübschen und praktischen, sowie nahrhaften Weihnachtsgaben. Die Handtücher sind sehr schön, Hannchen, ich habe wohl noch eine gute Anzahl Küchentücher, aber wenig Gesichtshandtücher, weshalb ich mit Freude dein Geschenk begrüßt habe. Und das Büchlein, lieber Hugo, macht mir viel Freude. Ich lese gerne Schilderungen von interessanten Menschen, an denen man auf blicken kann, die etwas Besonderes leisten wollten und geleistet haben. Und dein hübsches Tüchlein, Luischen, ist mir auch sehr wertvoll und lieb, wie alles, was von Herzen kommt und dafür danke ich euch allen recht recht sehr. Dass ihr nicht so recht auseinander gekommen seid mit den Gaben und den Stifterinnen, das macht gar nichts. Zum größten Teil habe ich alles besorgt und habe mit Anna nur noch das Letzte geholt und eingepackt, es ist schon so verteilt, dass jeder von uns dreien gleichmäßig an allem beteiligt ist und wer etwas mehr diesmal erobert hat, tritt dafür das nächste mal etwas zurück wahrscheinlich. Und dann, lieber Hugo, das mit dem Schlips für dich stimmt schon, obwohl ich dich auch in den besten Geruch mit der bewussten Flasche setzen wollte, aber diesen Gedanken habe ich zu Mackas Gunsten aufgegeben. Für dich steht ein Geschenk noch hinter meiner Tür und wartet der Verpackung, die nicht so
einfach ist, weil da zuerst meine große Pappschneidemaschine in Ordnung gebracht werden soll. Die ist nämlich im Keller unserer Schule tüchtig angerostet und mein Direktor will sie von einem Arbeitslosen erst wieder sauber machen. Aber dann kannst du täglich auf die "Überraschung zu Weihnachten" warten., bis sie endlich da ist. Dass dir der Unterrock gefällt, Hannchen, freut mich sehr, Anna und ich haben ihn ausgesucht, aber Martha und ich schenken ihn dir zum gesunden Tragen. Die Seife stammt von Tante Anna, ebenso die Schürze.
Wir haben sehr schöne Tage verlebt. Anna ist ja nun das [Familinien?] sehr gewöhnt und wird es bei mir nun nicht so erhalten haben, wie sie es gewöhnt ist, aber wir haben es uns doch sehr gemütlich gemacht und unseren Gästen am 1. Januar '27 auch. In Daun hatten wir ein vorzügliches Hotel mit dem Blick auf die alte Burgmauer und den oben aufgeführten Gebäuden, dann weite Blicke auf Hügel und Täler, die zum Teil noch mit viel Schnee bedeckt waren. [...]

Die Mare haben wir meist auf Fußwanderungen besucht, wir besuchten das Gemündener das [unleserlich] und das Weinfelder Maar. Die beiden letzten sieht man von einem hohen Fußwege in verschiedener Höhe links und rechts neben sich liegen. Auf unserem Wege nach Manderscheid fuhren wir am Holzmar vorbei, das am Rande eines Tannenwäldchens liegt. In Manderscheid, das circa 1 Stunde vom Bahnhof liegt, mussten wir den Weg auf Glatteis zu Fuß hin und zurück machen, weil das dicke schwere Personenauto wegen der Glätte, bei der es ständig ausrutschte, nicht fahren konnte.

Ich stand oft Qualen aus, bin aber heil durchgekommen, nur war ich empört, dass auf der Höhe von Manderscheid, die ich erklomm, indem ich mich von zwei Jungens auf einem Kinderschlitten heraufziehen ließ, (0,60 M) ausgerechnet mit einem Bengel am Zügel ein tobendens, [unleserlich] ausschlagendes Pferd daher gerast kam, so dass ich mit knapper Mühe hinter einen Steinhaufen entrinnen konnte. Es war aber doch schön. Zum Schluss fuhren wir nach Mayen [unleserlich] und dann nach der Mittagsrast nach Koblenz, wo wir im christlichen Hospiz übernachteten und am Abend ins Theater gehen, womit viel Lustigkeit Shakespeares "Viel Lärm um nichts" gegeben wurde. An Silvester kamen wir wieder in Essen an und erlebten still bei dem Glockengeläut der nahen Erlöserkirche das neue Jahr. Am 1. Januar gingen wir zur Kirche, dann zu Köhlers und mit Grete und ihrem Mann ins Kino, wo "Ben Hur" gegeben wurde, und zwar sehr gut bis auf ein paar kitschige Szenen. Am 2. Januar erhielten wir Gäste, einen Kollegen aus Kassel, Köhlers und Dr. Weßling, Grete Ks. Mann. Dann fuhr Anna ab und ich ging wieder meiner geordneten Tätigkeit nach. Mein Webstuhl ist angekommen, doch habe ich noch keine Zeit gehabt, ihn auszupacken.Aber mit neuen Kräften hoffe ich anzufangen und wünsche uns allen einen segensreichen Verlauf des begonnenen Jahres.

Mit nochmaligem herzlichen Dank und vielen treuen Grüßen eure Hedwig


[PS]

Ich kenne Gretens Anschrift nicht. 

Hedwig an Hanna

Essen 13.11.1927
Seit ich aus München zurück bin, habe ich noch keinen freien Tag gehabt. Um das versäumte nachholen zu können, [...]
Zweimal fahre ich in der Woche nach Münster zum Studium, habe also wenig Zeit darum schreibe unleserlich Was macht Luise? [...]


Oliva, den 22.10.1944 an Helmut Böhme
Lieber Helmut!
Es hat mich gefreut, dass du mir geschrieben hast, aber so ganz rein war mir meine Freude nicht, wegen deiner sehr schlechten Schrift und den ausgestrichenen Wörtern und der schiefen Lage der Zeilen. Sieh mal, so etwas darf überhaupt nicht aus deinen Händen eine Reise antreten, man muss ja annehmen, dass du sehr unordentlich und gleichgültig bist und dabei noch womöglich denkst: "ach für dich ist das gut genug." Mein lieber Patensohn, das muss ganz anders werden mit deiner Schrift. Ziehe dir Linien auf ganz glattem Papier und zwar so lange, bis deine Zeilen gerade laufen. Dann streiche niemals Buchstaben aus, überlege vorher, was du schreiben willst und mache die Buchstaben gleichmäßig, nicht einmal groß und dann klein oder schief und krumm. Wenn du das tust, wozu ich dir rate, dann sollst du mal sehen, wie deine Lehrer und wir mit dir zufrieden sind und du selbst wirst dich freuen, wenn die Mühe, die du dir gibst, dir Lob und Anerkennung einbringt denn 'ohne Fleiß, kein Preis', ist ein altes sehr wahres Sprichwort. Aber schreibe mir öfter, alles was du denkst, ich werde dir auch immer antworten, ganz offen auch sagen, worin du dir mehr Mühe geben musst und auch, was mir gefallen hat, damit du allmählich lernst und begreifst, dass jeder Mensch von klein auf nur das Beste tun muss, wenn er geachtet und geschätzt werden will. Du willst doch mal ein Führer werden, nicht nur ein Mitläufer, das erfordert viel Selbstzucht. Ich bin dir sehr gut, deshalb schreibe ich dir diese ernsten Worte. Lass dich recht herzlich grüßen von deiner Patin Tante Hedwig

Danzig-Langfuhr, den 7.6.1945

Jäschkartuberweg 30


Ihr Lieben!


Es besteht die Möglichkeit, euch Nachricht zu geben, ob ihr jedoch diese Zeichen erhalten werdet, ist ungewiss, wenn ja, dann gibt uns, bitte, möglichst sofort Nachricht. Anna und ich leben, auch Brigitte und Lieschen Krumreich, diese ist bei einer Familie an der Kruewa untergebracht worden, weil alle Insassen des Jelenker 2. Hofes heraus mussten. Emmy, Bruno und Christian sind irgendwo im Reich. Paul nicht mehr am Leben. Brigittens Kleine ist trotz aller Aufopferung Brigitten unter großen Schmerzen ebenfalls gestorben. Von Manzkys keine Spur, sie mussten ihre brennendes Haus verlassen. Meine Wohnung ist beschlagnahmt worden, ich habe meinen ganzen Besitz dort lassen müssen, bin zu Anna geflüchtet, deren Wohnung noch gut erhalten ist bis auf die vielen Fensterscheiben, die beim Beschuss zertrümmert wurden. Zu uns kamen als weitere Flüchtlinge Ines mit zwei Damen, dann eine fünfköpfige Familie und später noch der Mann der einen Dame. Dies Ehepaar ist jetzt wieder in Zoppot. Ines ist zur Zeit noch im städtischen Krankenhaus, wo sie wegen schwerer Rachendiphtherie eingeliefert wurde. Anna ist ein Zimmer gelassen worden, alle anderen Räume sind in Beschlag genommen worden, sie arbeitet für die vielen Insassen, ich helfe ihr, weil sie die enorme Arbeit nicht allein bewältigen kann. Wir haben uns bis jetzt leidlich erhalten können, sind aber sehr schwach, das brauche ich wohl nicht zu betonen bei den 72 Jahren. Meine ganze Sehnsucht bis zu euch zu kommen, A.s auch, aber die noch ganz ungeklärte Lage hier lässt die Abreise von hier noch nicht zu, obwohl die Möglichkeit dazu bestünde, wenn auch unter Schwierigkeiten, jedenfalls soll man bis Berlin fahren können. Soweit von uns wenig, aber doch etwas. Will's Gott, dann später mehr und mündlich.
Unsere Gedanken sind viel bei euch, gebt Leni bitte Nachricht und sendet uns von euch kurze Zeilen an Annas Adresse. Wir grüßen euch innigst und hoffen auf ein Wiedersehen. Eure Anna und Hede

Briefmarken sind der ungeklärten Lage wegen noch nicht zu haben. Habe 2 Zloty erhalten.

Aus Anna Groths Fluchtbericht über den Tod Hedwigs:

"Zwischen Leinfelden und Mühlhausen stellten sich bei Hedwig plötzlich Bluthusten ein. Mit Mühe kamen wir abends in das Mühlhausener Bahnhofshotel. In der Nacht zum 18. Sept. 45 wurde es mit Hedwig immer schlimmer. Mit Mühe bekam ich sie endlich ins Krankenhaus. Gegen 11 Uhr nachts ist sie am 18. September heimgegangen."

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